Gedanken zur Qualität im Bildungsbereich II
Qualität ist kein eindimensionaler, klar definierter Begriff. Vielmehr müssen verschiedene Ebenen des Bildungsprozesses und der Bildungsbeteiligten bei der Definition und Beschreibung mit einbezogen werden. Die folgende Abbildung zeigt, dass verschiedene Faktoren die Qualität und deren Verständnis beeinflussen.
Qualität ist also ein multiperspektivisches Konstrukt. Es ist unmöglich Qualität anhand einer Variable zu messen. Nicht nur in Bildungsprozessen, sondern generell.
Unterschiedliche Akteure
Jana besucht einen staatlichen Kindergarten mit Öffnungszeiten von 7.00 bis 18.00. Für ihre Eltern zeigt sich die Qualität der Einrichtung in der Ausstattung, dem Mittagessen und dem Betreuungsschlüssel. Markus besucht die gleiche Gruppe wie Jana. Seine Eltern sehen die Qualität der Einrichtung vor allem in den langen Öffnungszeiten und dem pädagogischen Konzept. Der Träger der Einrichtung misst die Qualität an der Zufriedenheit der Eltern und der Schulfähigkeit der Kinder. Die Leitung der Einrichtung sieht bereits die pädagogische Alltagsbegleitung der Kinder als Qualität ihrer Einrichtung an.
Das Beispiel zeigt, dass verschiedene Akteure unterschiedliche Blickpunkte auf Qualität generell haben. Was die jeweiligen Akteure jedoch unter Qualität verstehen wird hieraus nicht ersichtlich. Fischer-Blume (2000, S. 682) unterschiedet im Bildungsbereich drei relevante Perspektiven:
- staatliches Handeln
Auf dieser Ebene geht es um Steuerungsmechanismen wie z.B. Verordnungen und Gesetze - institutionelles Handeln
Auf dieser Ebene wird Qualität aus der Perspektive einer Organisation bestimmt. Diese Organisation richtet ihre Perspektive an den Zielen und Bedingungsfaktoren ihrer Umwelt aus. - subjektives Handeln
Auf dieser Ebene wird Qualität vom Standpunkt eines subjektiv Handelnden aus betrachtet z.B. eines Lernenden oder Bildenden
Unterschiedliche Qualitätsverständnisse
Im Bildungs- und Sozialbereich lassen sich die verschiedenen Qualitätsverständnisse grob in fünf Gruppen einteilen (vgl. Harvey & Green, 2000):
- Qualität als Ausnahme
Nach diesem Qualitätsverständnis zeigt sich Qualität durch das Übertreffen von Erwartungen oder Standards. Qualität ist nicht die Regel, sondern etwas Besonderes. - Qualität als Perfektion oder Konsistenz
Nach diesem Qualitätsverständnis zeigt sich Qualität durch die Konformität zu Spezifikationen. D.h. gestellte Anforderungen werden zufriedenstellend und fehlerfrei umgesetzt. Dies wird als Perfektion bezeichnet. Ob diese im Bildungsprozess jedoch gewollt ist sei zur Diskussion gestellt. Für die Umsetzung einer Kultur der Qualität, ist es wichtig, dass sich jedes Mitglied in einer Bildungseinrichtung, für die Organisation der Qualität mit verantwortlich fühlt. Nach diesem Ansatz ist es nicht notwendig die Ergebnisse auf Qualität zu überprüfen, da der Prozess selbst im Mittelpunkt steht. - Qualität als Zweckmäßigkeit
Hier wird die Qualität auf den Zweck des Produktes bezogen. Hier kann aus zwei Perspektiven agiert werden.
a) Qualität liegt dann vor, wenn die vom Lerner benannten Anforderungen erfüllt sind, oder
b) Qualität liegt dann vor, wenn die von der Institution definierten Ziele erreicht wurden, also die Institution markttauglich ist. - Qualität als adäquater Gegenwert
Qualität zeigt sich hier in der Effektivität eines Prozesses. Passt der Outcome zu dem investierten Kapital? In Consumer Charts wird aufgeschrieben, was Kunden für ihr Geld erwarten dürfen. Ähnliches wird mit den nach ISO 9000ff festgeschriebenen Leistungsindikatoren erreicht. Im Bildungsbereich sind beide Vorgehensweisen jedoch umstritten, da sie sich nicht auf die Lernwirksamkeit von Bildungsprozessen, sondern auf äußere Rahmenbedingungen beziehen. - Qualität als Transformation
Dieses Qualitätsverständnis kommt einer Verwendung im Bildungsbereich sehr entgegen. Hier basiert Qualität auf der Vorstellung, dass sich durch den Lernprozess etwas am Nutzer ändert. Hierbei kann einmal der Fokus auf der Weiterentwicklung bereits vorhandener Bildung gelegt werden, oder auf die Ermächtigung des Lerners ihre eigene Transformation, also den Bildungsprozess, zu beeinflussen. Unterschieden wird hierbei in:
a) Evaluation (Erfassung der Lernzufriedenheit)
b) Garantie von Minimalstandards und deren Überwachung
c) Kontrolle und Organisation des eigenen Lernens (z.B. Auswahl von Lernmaterial und Lernsituationen)
d) die Entwicklung kritischer Fähigkeiten (Transfer von Wissen in den Alltag)
Unterschiedliche Qualitäten
Es gibt verschiedene Qualitätskonzepte, wie etwa das CIPP-Modell, das PEI-Modell oder das SPE-Modell. Jedes zielt auf eigene Schwerpunkte ab. Sinnvoll erscheint ein integriertes Qualitätsmodell, das alle Modelle kombiniert und so verschiedenste Bereiche abdeckt. Qualitätskonzepte sind wichtig, um die durch Evaluation erhaltenen Daten auswerten und Rückschlüsse ziehen zu können.
Zusammenfassung
Die Diskussion über Qualität und deren Messung im Bildungsbereich ist sicherlich noch lange nicht abgeschlossen. Es gibt vielfältige Modelle, die jeweils einen Versuch starten Qualität messbar zu machen, Qualität zu erhalten oder Qualität zu verbessern. Aber es gibt nicht die eine Qualität, sondern vielfältige Qualitäten, deren Voraussetzungen und Umsetzung ebenso individuell ist, wie die verschiedenen Bildungseinrichtungen, Bildungsangebote und Lernenden selbst.
Fest steht, dass die Qualität eines Bildungsprozesses nicht vorab festgestellt werden kann, sondern in der Ko-Produktion entsteht. Standards können demnach also nicht das Bildungsergebnis, sondern nur einen Rahmen für Bildungsprozesse vorgeben. Es ist wichtig, dass sich Bildungseinrichtungen ein Qualitätsmodell heraussuchen, anhand dessen sie ihre Qualität kontinuierlich Evaluieren.
Wie sieht es in der Praxis mit Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung aus? Ich freue mich über Kommentare.
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